John Nedjoh, Leiter CDPI Ghana: Verantwortlicher Atiwa-WASH-Projekt

Vor rund drei Jahren star­te­ten wir das Atiwa-WASH-Projekt im Süden von Ghana. Ziel war es, die Trinkwasserversorgung im Distrikt Atiwa zu ver­bes­sern. Nun kommt das Projekt zum Abschluss und wir neh­men dies zum Anlass für ein Gespräch mit John Nedjoh. Als Direktor des Centre for Development Partnerships and Innovation (CDPI) war er für die Planung und Umsetzung des Projektes ver­ant­wort­lich. Er hat mass­geb­lich zu des­sen Erfolg bei­getra­gen und wir sind glück­lich, mit ihm einen so kom­pe­ten­ten Partner an unse­rer Seite gehabt zu haben.

Alex Tseh

Mit die­sem Interview gewährt er uns einen Einblick in sei­ne Arbeit für die Ärmsten Ghanas und in die Zusammenarbeit mit der Ernst Peyer Stiftung. Er erzählt uns von Problemen und Erfolgen, Wünschen und Zukunftsplänen.

John, war­um haben Sie sich für eine Karriere als Leiter einer Nichtregierungsorganisation (NGO) ent­schie­den?
Der Zugang zu grund­le­gen­den Dienstleistungen wie Trinkwasser-, Sanitärversorgung und Hygiene (WASH) für arme und benach­tei­lig­te Bevölkerungsgruppen ist mei­ne per­sön­li­che Herzensangelegenheit. Ich ken­ne deren Not. Es ist eine trau­ri­ge Tatsache, dass in Ghana jähr­lich Tausende Kinder unter fünf Jahren an Durchfallerkrankungen ster­ben, weil sie kei­nen Zugang zu sau­be­rem Trinkwasser, ange­mes­se­nen sani­tä­ren Einrichtungen und Hygienediensten haben.
Als Leiter einer NGO habe ich den Spielraum und das Privileg, direkt auf die­se Bevölkerungsgruppen, die meist in länd­li­chen Gemeinden und klei­nen Städten leben, mit prag­ma­ti­schen und nach­hal­ti­gen Lösungen ein­zu­wir­ken. Die Zufriedenheit, die ich dar­aus erfah­re, lässt sich nicht in Zahlen aus­drü­cken.

Wir von CDPI sind sehr dar­auf bedacht, bei der Zuteilung von Ressourcen und Entwicklungsprojekten die Themen Gerechtigkeit und Inklusion zu berück­sich­ti­gen. NGOs sind dafür bekannt, dass sie oft effi­zi­en­ter arbei­ten und mit begrenz­ten Mitteln mehr Menschen errei­chen als staat­li­che Einrichtungen und Behörden.

Und ich weiss, dass wir mit gut kon­zi­pier­ten Massnahmen viel Elend ver­hin­dern und posi­ti­ve Veränderungen im all­täg­li­chen Verhalten bewir­ken kön­nen.

Was muss getan wer­den, um die WASH-Standards in Ghana deut­lich zu ver­bes­sern?
Wir müs­sen fle­xi­bel, krea­tiv und inno­va­tiv sein – tech­no­lo­gisch wie auch bei der Finanzierung. Nur so gelingt es uns, nach­hal­ti­ge Lösungen für die WASH-Bedürfnisse und -Probleme in länd­li­chen Gegenden zu ent­wi­ckeln. Dabei müs­sen die Eigenverantwortung der Bevölkerung und die Nachhaltigkeit vom Anfang bis zum Ende des Projektzyklus im Zentrum aller Überlegungen ste­hen. Gemäss mei­ner Erfahrung und mei­ner per­sön­li­chen Meinung müs­sen fol­gen­de Massnahmen ergrif­fen wer­den, um den WASH-Standard deut­lich zu erhö­hen:

1) Gemeinschaftlich ver­wal­te­te­te Wasserversorgungsdienste in klei­ne Wasserunternehmen umwan­deln, die pro­fes­sio­nell und nach betriebs­wirt­schaft­li­chen Grundsätzen geführt wer­den.

2) WASH-Projekte in Schulen im gha­nai­schen Bildungswesen inte­grie­ren, um so die Eigenverantwortung, die Einbindung und die Nachhaltigkeit von WASH-Diensten in Schulen zu ver­bes­sern.

3) Seifenproduktion als Teil von Hygieneförderungsmassnahmen in Gemeinden, Schulen und Gesundheitseinrichtungen ein­be­zie­hen. Nur so ist Seife zum Händewaschen jeder­zeit ver­füg­bar.

In den ver­gan­ge­nen Jahren sind WASH-Projekte vie­ler NGOs geschei­tert. Was machen Sie bes­ser?
Unser im Pragmatismus ver­wur­zel­ter Ansatz für erfolg­rei­che Ergebnisse: Alles was funk­tio­niert för­dern, was nicht funk­tio­niert schnellst­mög­lich anpas­sen. Dabei liegt unser Schwerpunkt in der engen Zusammenarbeit mit Gemeinden, Haushalten, Schulen, Gesundheitseinrichtungen und dezen­tra­len Behörden sowie der Beteiligung der Begünstigten.

Unsere Präsenz im Distrikt wäh­rend der Projektphase: Wir suchen und pfle­gen die Nähe zu den loka­len Regierungsbehörden und den Distriktversammlungen. Andere NGOs und Regierungsbehörden set­zen ihre Projekte von der regio­na­len oder natio­na­len Hauptstadt aus um. Dank unse­rer Präsenz schaf­fen wir eine enge­re nach­hal­ti­ge Bindung zu den Projektgemeinden und ande­ren Interessengruppen.

Ein fixes Projektfahrzeug für das Latrinenbauteam: Damit erleich­tern wir des­sen Mobilität für den Transport von Zement und ande­ren Materialien, die das Team für den Bau der Haushaltslatrinen benö­tigt. Andere Projekte tun dies kaum. Normalerweise wird das Fahrzeug stets vom Leiter der NGO genutzt, wäh­rend die tech­ni­schen Teams sich abmü­hen, ihre Transporte zu orga­ni­sie­ren.

Ein fixes Bauteam für Haushaltslatrinen und insti­tu­tio­nel­le Latrinen: Das Team kennt sich und arbei­tet gut zusam­men. Daraus ent­ste­hen Vorteile wie Loyalität, Engagement, Zuverlässigkeit, Zugehörigkeit sowie Kostenoptimierung.

Frauengruppen in die Projekte ein­be­zie­hen: Über die Hygienebildung der Frauen errei­chen die Projekte eine bes­se­re Akzeptanz. Weiter schu­len wir Frauengruppen im Bau von Wasserhähnen und in der Herstellung ver­schie­de­ner Seifenarten.

Seifenherstellung in am Projekt betei­lig­ten Schulen: Werden die Schule in der Seifenherstellung aus­ge­bil­det, steht künf­tig mehr Flüssigseife zum Händewaschen zur Verfügung. Die meis­ten NGOs bie­ten in der Regel kei­ne sol­chen Schulungen an.

Auf wel­che Leistungen wäh­rend des Atiwa-Projekts sind Sie und Ihr Team beson­ders stolz?
Wir sind stolz auf das Erreichte:
Mehr als 4000 Menschen aus vier Projektgemeinden erhiel­ten Zugang zu einer siche­ren Wasserversorgung. Hierfür wur­den acht Bohrlöcher mit Handpumpen saniert und ein mecha­ni­sches Bohrloch repa­riert.

169 Häuser/Haushalte erhiel­ten belüf­te­te, ver­bes­ser­te Grubenlatrinen (VIP) für ihre Familien. Bei einer durch­schnitt­li­chen Haushaltsgrösse von sie­ben Personen bedeu­tet dies, dass rund 1183 Personen aus den vier Projektgemeinden Zugang zu ver­bes­ser­ten sani­tä­ren Anlagen haben.

4 Latrinen mit je drei Plätzen für zwei Schulen samt Einrichtungen zum Händewaschen und zur Menstruationshygiene. Hierfür haben wir mit den Schulleitern sowie den Schul- und Bildungsprogramm-Koordinatoren einen Facility-Management-Plan erstellt: Ein wich­ti­ges Dokument für den Betrieb und die Wartung die­ser Schulsanitäranlagen.

Welche beson­de­ren Herausforderungen muss­ten Sie wäh­rend des Atiwa-Projekts meis­tern?
Der hohe Grundwasserspiegel und der insta­bi­le Boden, vor allem in Akyem Mampong und Vanderpuye, waren eine Herausforderung für den Latrinenbau. Dank dem Einsatz von per­fo­rier­ten Fässern konn­ten die Gruben letzt­lich sta­bi­li­siert wer­den. Die Grubentiefe wur­de in die­sen Gebieten auf sie­ben Meter oder weni­ger gehal­ten, um das Risiko einer Grundwasserverschmutzung zu ver­mei­den.

Die gerin­ge Unterstützung durch die Gemeindeverantwortlichen: Die wenigs­ten Haushaltslatrinen wur­den in Akyem Mampong gebaut. Zurückzuführen war dies auf die feh­len­de Unterstützung durch die Gemeindeverantwortlichen.

Die ver­spä­te­te Bereitstellung der Materialien durch die Haushalte. Jeder Haushalt betei­ligt sich am Bau ihrer Latrine, indem die Familie mit­un­ter Materialien wie Holz selbst bereit­stellt. Oftmals muss­ten die Handwerker auf die­ses Material war­ten, was letzt­lich den gan­zen Bauablauf brems­te und Mehrkosten ver­ur­sach­te.

Was hät­ten Sie im Nachhinein beim Atiwa-Projekt anders gemacht?
Es wäre hilf­reich gewe­sen, wenn CDPI Einfluss auf die Auswahl der am Projekt betei­lig­ten Gemeinden gehabt hät­te. Wir hät­ten nach­weis­lich jene Gemeinden aus­ge­wählt, die einen ech­ten Bedarf an WASH-Verbesserungen haben und bereit sind, aktiv an einer Veränderung mit­zu­ar­bei­ten. Auf die­se Weise hät­ten wir die unan­ge­neh­men Erfahrungen wie mit Akyem Mampong ver­mei­den kön­nen. Ausserdem hät­ten wir weni­ger Projektmitarbeiterinnen und -mit­ar­bei­ter benö­tigt und folg­lich die Projektkosten tie­fer hal­ten kön­nen.

Zudem hät­ten wir nicht davon aus­ge­hen dür­fen, dass Häuptlinge und ande­re Gemeindevorsteher Sanitäreinrichtungen als Teil ihrer Aufgabe für die Gemeindeentwicklung sehen und ent­spre­chen­de Projekte vor­an­trei­ben. Trotz vie­ler Gespräche ist es uns nicht gelun­gen, alle von die­ser Notwendigkeit zu über­zeu­gen. Stattdessen wäre es hilf­rei­cher gewe­sen, von Anfang an Schulbehörden, Lehrpersonen sowie Latrinenhandwerker in das Projekt ein­zu­bin­den.

Wie war die Zusammenarbeit mit der Ernst Peyer Stiftung?
Aus unse­rer Sicht funk­tio­nier­te die Zusammenarbeit her­vor­ra­gend. Sie trug viel zur Verbesserung der Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Hygiene in Ghana bei. Als loka­le NGO konn­te sich CDPI wäh­rend der fast drei­jäh­ri­gen Projektzeit wei­ter­ent­wi­ckeln und stär­ken. Wir konn­ten unser über die Jahre erwor­be­nes WASH-Wissen und unse­re Fähigkeiten anwen­den, neue Erfahrungen sam­meln und unse­re Kapazitäten in der WASH-Organisation und Realisierung aus­bau­en.

Heute haben wir das nöti­ge Profil, um nach aus­sen zu tre­ten, uns zu ver­mark­ten und neue Partnerschaften mit ande­ren WASH-Organisationen ein­zu­ge­hen. Konkret suchen wir Partnerschaften mit Organisationen wie WaterAid in Ghana (WAG) und dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF).

Was sind Ihre nächs­ten Pläne?
Gerne möch­ten wir wei­te­re Projekte mit der Ernst Peyer Stiftung pla­nen und rea­li­sie­ren. Unser Wunsch ist es, gemein­sam Initiativen zu ent­wi­ckeln, die eine noch grös­se­re Wirkung auf natio­na­ler Ebene haben wer­den.

Herzlichen Dank John Nedjoh für die­ses Interview und die wert­vol­le Zusammenarbeit wäh­rend der ver­gan­ge­nen fast vier Jahren.

Interview: Walter Esposito
Redaktion: Walter Esposito, Hannes Heinimann, Judith Bachmann