James Akamali: Unser Mann vor Ort mit vielen Talenten
James Akamli ist Technischer Leiter bei Water Vision Technology (WVT) und verantwortet in dieser Funktion die Umsetzung der Wasserprojekte unserer Stiftung. Zugleich ist er ein wunderbarer Motivator, wenn es gilt, Dorfgemeinschaften von Neuerungen und Verhaltensveränderungen zu überzeugen.
James, Sie sind eine Schlüsselperson für die Umsetzung der Trinkwasserprojekte von WVT und der Ernst Peyer Stiftung. Für die Sanierung von Wasserpumpen und Brunnen haben Sie in den vergangenen acht Jahren mit Hunderten von abgelegenen Gemeinden in der Upper East Region zusammengearbeitet. Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?
Mein Arbeitsalltag orientiert sich an den Projektzielen, die wir von WVT erstellen und die in unsere monatlichen Arbeitspläne einfliessen. Dafür verbringe ich die meisten Arbeitstage „im Feld“, und ich freue mich mehrheitlich auf meine Arbeit. Denn ich weiss, dass ich mit meinem Tun, die prekären Lebensumstände der Dorfbevölkerung, mit mangelndem und schmutzigem Wasser, verbessern kann. Ich treffe oft auf Dorfgemeinschaften, bei denen eine saubere und sichere Wasserversorgung mit einer funktionierenden Pumpe schon vor Jahren zusammengebrochen ist. Mein Eingreifen in solchen Momenten kommt mir vor, als ob ich mich im Krankenhaus um einen Patienten in Not kümmere.
Bei Ihren Arbeiten müssen Sie grosse Herausforderungen bewältigen: Begrenzte Informationen von Behörden und bedürftigen Gemeinden, grosse Distanzen, aber auch schlechte Strassen und raue Klimabedingungen erschweren Ihre Arbeit. Wie gehen Sie all diese Probleme an?
Abgesehen von der Coronapandemie ist WVT davon überzeugt, dass Herausforderungen das Leben interessant machen und wir damit unser Leben sinnvoll gestalten. Die täglichen Herausforderungen haben unser kleines Unternehmen gestählt und gestärkt. Wir arbeiten seit vielen Jahren in der gleichen Umgebung und haben das Glück, von wohlgesinnten Partnern unterstützt zu werden. Ein Beispiel dafür ist, dass wir von der Ernst Peyer Stiftung ein zinsloses Darlehen für den Kauf eines robusten Pick-ups erhalten haben. Und weil ich alle Sprachen der Region verstehe und spreche, arbeite ich immer mit den lokalen Gebietsmechanikern und mit dem Personal der Distriktbehörde zusammen. Das alles hilft mir, die Herausforderungen zu überwinden.
Wenn wir Ihre Arbeit beobachten, stellen wir fest, dass Sie nicht nur ein technischer Experte, sondern auch ein hervorragender Motivator für die Gemeinschaft sind. Erzählen Sie uns, wie Sie Dorfgemeinschaften bei der Bildung lokaler Wasser- und Hygieneteams unterstützen, wie Sie lokale Wasserkomitees ausbilden, wie Sie das Verantwortungsbewusstsein der Dorfbevölkerung verbessern?
Ich mache meine Arbeit seit vielen Jahren, und so habe ich meine Strategien für die Gemeinwesenarbeit entwickelt. Und ja, es gelingt mir gut, Menschen zu motivieren. Meine Präsenz in den Gemeinden, mein Respekt und mein Engagement für Vernachlässigte wird von den Menschen geschätzt. Wenn sie von mir Anerkennung und Respekt erfahren, sind sie bereit, mir zuzuhören und ihr Verhalten zu ändern. Das ist eines meiner Schlüsselinstrumente im Umgang mit Menschen. Bei den Wasser- und Hygienekomitees achte ich auf ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis – Männer und Frauen, die von ihrer Gemeinde ausgewählt wurden, die Gemeinschaft bei der Verwaltung und dem Unterhalt der Pumpen und Brunnen zu vertreten. Vorab begleite ich die Gemeinschaft mit einer Reihe interaktiver Treffen. Das Ziel ist, die Notwendigkeit eines Wasserkomitees zu erkennen, die eigenen Erfahrungen/Arbeiten zu hinterfragen und Ideen für den optimalen Betrieb der Brunnen und Pumpen zu entwickeln.
Bei der Ausbildung der lokalen Teams lege ich den Schwerpunkt auf praktisches Üben und Lernen. Nur zuschauen reicht nicht aus. So lernen die lokalen Brunnenmeister ihre Wasserpumpe mit all ihren Bestandteilen kennen. Und sie sind fähig, die Pumpen selbständig zu warten und kleinere Reparaturen vorzunehmen – ohne Hilfe von aussen.
Die Lebensgrundlagen der Gemeinden nachhaltig zu verbessern, hat für die Ernst Peyer Stiftung und WVT oberste Priorität. Dafür bedarf es neben neuer Brunnen und Wasserpumpen einer guten Zusammenarbeit mit den traditionellen Häuptlingen, den Distriktbehörden und mit anderen Beteiligten. Was sind Ihre Erfahrungen in diesem Bereich?
Nachhaltigkeit bleibt eine Herausforderung, da die Funktionen der meisten Distriktbehörden und der staatlichen Wasserteams auf Büroarbeit reduziert sind – mit wenig oder gar keiner Überwachung vor Ort und fast ohne technische Unterstützung der lokalen Wasserkomitees. Geplante und budgetierte Weiterbildungen in den Dörfern durch staatliche Teams finden kaum statt. Die Umsetzung vor Ort scheitert oft an fehlendem einsatzfähigem Personal oder an nicht vorhandenen Fahrzeugen. Das ist sehr schade, denn viele Häuptlinge haben Ideen, wie das Leben innerhalb der Gemeinschaft nachhaltig verbessert werden könnte. Entsprechend unterstützen sie unsere Bemühungen für mehr Kompetenz und Eigenständigkeit der Wasserkomitees. Andere Häuptlinge erwarten, dass aufgrund ihrer finanziellen Not die Regierung oder andere externe Akteure ihre Wasserprobleme lösen müssten.
Als Mitarbeiter «im Feld» benötigen Sie detaillierte Kenntnisse der verschiedenen Gemeinden, deren Traditionen sowie über deren wirtschaftlichen und gesundheitlichen Probleme. Wie beeinflusst dieses Wissen Ihre Arbeit?
Eine bessere Gesundheit der Menschen und die gesicherte Existenz der Gemeinden ist das Ziel aller unserer Bemühung. Bereits seit den 1990er-Jahren arbeite ich an Wasserprojekten – erst als Technischer Spezialist, heute als Technischer Koordinator. Dabei hatte und habe ich die Gelegenheit, die Regionen im Norden von Ghana zu bereisen und die verschiedenen Kulturen, Normen und Überzeugungen kennenzulernen. Und so ist unsere Hauptaufgabe, mit unserem Wissen und unseren Fähigkeiten das Leben der Menschen zu verbessern. Dafür unterstützen wir sie bei der nachhaltigen Renovation der Wasserpumpen, der Verbesserung der Wassermenge und -qualität sowie mit zusätzlichen Pumpstandorten.
Wenn wir mit Ihnen vor Ort unterwegs sind, stellen wir fest, dass Sie einen ausgezeichneten Orientierungssinn haben. Auch ohne Strassen und Wegweiser finden Sie immer Ihr Ziel. Wie machen Sie das?
Ich kenne die Gegend sehr gut. Ich bin in der Upper East Region geboren und habe in allen Distrikten der Region gearbeitet. Oder, man kann die Teile eines Baumes nicht benennen, ohne das Virus zu kennen, das ihn befällt. So kann ich auch keine Gemeinde kennen, ohne den Weg dorthin zu wissen.
Die Coronapandemie ist auch in der Upper East Region eine Herausforderung. Wie wirkt sie sich auf Ihre Planung und Ihre tägliche Arbeit aus?
Die Pandemie ist eine riesige Herausforderung. Und zwar so, wie man durch ein Tal gehen muss, um die Schönheit eines Berges schätzen zu lernen. Das Verständnis für die Pandemie war in den ländlichen Gemeinden und in den Städten sehr unterschiedlich, auch bei der Unterstützung durch die Zentralregierung. Und da wir irgendwann als Bindeglied fungieren mussten, wurde das Thema Corona zum stressigen Alltag: Wir mussten die Besuche in die Dörfer neu planen, über die Coronapandemie aufklären, bisher nicht vorhandene Artikel wie Gesichtsmasken, Desinfektionsmittel und Flüssigseife beschaffen und unsere thematischen und geographischen Schwerpunkte überdenken. Das alles war aber möglich, auch dank der Unterstützung der Ernst Peyer Stiftung.
Zum Schluss dieses Interviews verrät uns James eine der Geschichten, die er zur Motivation und Auflockerung vor den Dorfbewohnern erzählt:
DER MOTIVATIONSREDNER
Der Motivationsredner sagte: «Die besten Tage meines Lebens waren die Tage, die ich mit der Frau eines anderen Mannes verbrachte.» Die Zuhörer standen unter Schock und blieben stumm. Der Redner fügte hinzu: «Und sie ist meine Mutter». Es folgte eine grosser Applaus und Gelächter. Ein Mann, der sich die Rede anhörte, beschloss, diese zu Hause zu erzählen. Nach dem Abendessen sagte er zu seiner Frau. «Die besten Tage meines Lebens waren die Tage, die ich mit der Frau eines anderen Mannes verbracht habe.» Nach einer kurzen Pause versuchte er sich an die zweite Zeile der Geschichte zu erinnern, schaffte es aber nicht. Als er wieder bei Sinnen war, lag er im Krankenhausbett und erholte sich von den Verbrennungen durch das heisse Wasser, das seine Frau über ihn gegossen hatte.
James Akamali ist 59 Jahre alt, verheiratet und hat vier Kinder. Er lebt in Bolgatanga, ist gelernter Maschinenbau-Ingenieur und arbeitet bei Water Vision Technology (WVT), der Partnerorganisation der Ernst Peyer Stiftung.
Interview: Hannes Heinimann