Mit Herzblut für ein bes­se­res Leben im Norden von Ghana

Die Fruchtbarkeit der Böden nachhaltig verbessern

Michael Herger ist Junior Programmverantwortlicher beim Schweizerischen Roten Kreuz. Seit bald einem Jahr unter­stützt der jun­ge Schweizer das Länderprogramm in Ghana, wo er beim Ghanaischen Roten Kreuz im Norden des Landes arbei­tet. Der Fokus sei­ner Arbeit liegt auf einem neu­en WASH-Projekt, wel­ches das Ziel hat, den Gesundheitszustand der Bevölkerung in länd­li­chen Dorfgemeinschaften zu ver­bes­sern. Neben dem Zugang zu sau­be­rem Trinkwasser und sani­tä­ren Anlagen beinhal­tet die­ses auch die Sensibilisierung und Förderung der Hygiene. Eingeführt wird das Projekt in Dörfern, Schulen und Kliniken.

Michael Herger, du lebst seit bald einem Jahr in Bolgatanga, im Norden von Ghana. In den letz­ten Jahren hast du dich im Forum der Akademie für Naturwissenschaften mit Fragen rund um den Klimawandel aus­ein­an­der­ge­setzt. Was sind dei­ne kon­kre­ten Beobachtungen bezüg­lich Klimaveränderungen im Leben der Menschen vor Ort? Obwohl wir vom Roten Kreuz nicht schwer­punkt­mäs­sig das Thema Klimawandel bear­bei­ten, sehen wir uns in der täg­li­chen Arbeit damit kon­fron­tiert: Die Einheimischen berich­ten, dass die Regenfälle in der Regenzeit hef­ti­ger wur­den und sich zeit­lich ver­scho­ben haben. Sie sind unbe­re­chen­ba­rer gewor­den. Starkniederschläge innert kür­zes­ter Zeit in einem ansons­ten sehr tro­cke­nen Klima füh­ren immer wie­der zu Überschwemmungen an Orten, wo man es sich in der Trockenzeit nie vor­stel­len könn­te. Die Folgen sind feh­len­de oder gerin­ge­re Ernten sowie eine Verschlechterung der Lebensgrundlage für Mensch und Tier. Solche Wetterextreme sind sicher zum Teil auf den Klimawandel zurück­zu­füh­ren. Und so wer­den die ärms­ten Bevölkerungsgruppen zu den Leidtragenden, obwohl sie defi­ni­tiv nicht die Hauptverursacher des Klimawandels sind.

Haben die­se Menschen – Kleinbauern, Taglöhner, kran­ke und alte Menschen – Fähigkeiten und Stärken ent­wi­ckelt, um den sich häu­fen­den Dürren, Überschwemmungen, Missernten und dro­hen­dem Hunger die Stirn zu bie­ten und neue Wege des Überlebens zu fin­den ?
Gemäss mei­ner Erfahrung sind gera­de die­se Leute bein­dru­cken­de Anpassungskünstler. Ihnen bleibt oft kei­ne ande­re Wahl, als nach neu­en Wegen zu suchen: So expe­ri­men­tie­ren die Bauern  mit Pflanzensorten- und Anbaumethoden, die resis­ten­ter sind. Aber auch der tra­di­tio­nel­le Hausbau wird – lei­der oft erst, nach­dem Häuser in der Regenzeit zusam­men­fal­len – hin zu einer robus­te­ren Bauweise ange­passt. Eine wei­te­re posi­ti­ve Entwicklung sind Zusammenschlüsse von Interessengruppen, die sich auf die Wetterextreme inso­weit vor­be­rei­ten, dass sie im Notfall dar­auf reagie­ren und sich der neu­en Situation anpas­sen kön­nen.

Auch das Rote Kreuz hat ein Projekt zur Naturgefahrenprävention auf­ge­baut. Dabei ler­nen Dorfgemeinschaften Notfallpläne zu erstel­len, sie trai­nie­ren die Rettung im Falle von Überschwemmungen und erfah­ren, wie eine Wiederbegrünung vor­an­ge­trie­ben wer­den kann. Letzteres hat auch die Ernst Peyer Stiftung mit ihrem Aufforstungsprojekt im Bongo Distrikt ein­drück­lich bewirkt.

In mei­ner Wahrnehmung hat der Klimawandel aller­dings sowohl bei der Bevölkerung als auch bei den Verwaltungen noch kei­nen gros­sen Stellenwert, da oft «drin­gen­de­re» Probleme bewäl­tigt wer­den müs­sen. Entsprechend ist das Potenzial hin zu einem bes­se­ren Leben mit den sich ver­än­dern­den kli­ma­ti­schen Gegebenheiten sehr gross. Vielleicht kann der im letz­ten Jahr zwi­schen der Schweiz und Ghana abge­schlos­se­ne Climate Offset Deal dies­be­züg­lich etwas bewir­ken: nach­hal­ti­ge Projekte für ein bes­se­res Leben trotz Klimawandel.

Als Delegierter des Roten Kreuzes arbei­test du neben ande­rem an der Entwicklung von Trinkwasser- und Hygieneprojekten an Schulen und Gesundheitszentren in der Upper East Region. Du besuchst gros­se Internate mit teil­wei­se mehr als 1000 Studierenden, wo es kaum flies­sen­des Trinkwasser gibt und wo die Notdurft auf dem frei­en Feld rund um die Schulen ver­rich­tet wird.  Welche Ansätze ver­folgt das Rote Kreuz bei der Hilfe zuguns­ten die­ser Schulen?
Diese Zustände zu sehen hat mich scho­ckiert und es ist für mich schwer zu ver­ste­hen, wie sol­che Schulen und auch Kliniken – wo mit­un­ter Geburten durch­ge­führt wer­den – ohne aus­rei­chen­de Wasserversorgung und sani­tä­re Anlagen gebaut wer­den konn­ten. Bei den Schulen set­zen wir mit unse­rem WASH-Projekt auf das «Blue School»-Konzept. Dieses ver­folgt einen ganz­heit­li­chen Ansatz. Es beinhal­tet die Wasserversorgung vor Ort samt sani­tä­ren Anlagen sowie Einbindung von Themen wie Schulgärten, Abfalltrennung, Umwelt- und Hygienethemen (mit Fokus auf Menstruationshygiene) in den Schulunterricht. Dabei wer­den die ver­schie­de­nen Themen mög­lichst pra­xis­nah ver­mit­telt. So bil­den Schülerinnen und Schüler Teams, in denen sie selbst aktiv wer­den und Experimente durch­füh­ren, aber auch den Schulgarten pfle­gen und die Toiletten put­zen. Zudem wer­den alle Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen mit­ein­be­zo­gen, um den Unterhalt der sani­tä­ren Anlagen und Brunnen in Schuss und sau­ber zu hal­ten.

Auf dem Weg zu einer «Blue School» beglei­ten wir die Schulen über meh­re­re Jahre und orga­ni­sie­ren Workshops zu den ver­schie­de­nen Themen. Dabei ist es sehr wich­tig, dass der Veränderungsprozess von der Schuldirektion und den Lehrpersonen getra­gen wird. Zusammen mit den Kindern und Jugendlichen gestal­ten sie ihre Schule WASH-freund­lich.

Aktuell füh­ren wir das  «Blue School»-Konzept als Pilotprojekt an drei Schulen durch. Persönlich hof­fe ich, dass künf­tig vie­le wei­te­re Schulen in Ghana die­ses viel­ver­spre­chen­de Konzept über­neh­men.

Siehst du eine Chance, dass nach dem Ende der Projektunterstützung die Schulen ihre Verantwortung zum Unterhalt der neu­en Wasserversorgungen und der Latrinen wahr­neh­men kön­nen? Gibt es reel­le Möglichkeiten, dass in die­ser ärms­ten und oft ver­nach­läs­sig­ten Gegend von Ghana die not­wen­di­gen eige­nen Mittel für Betrieb und Reparaturen nach­hal­tig gesi­chert sind?
Das ist sicher eine der ent­schei­den­den Herausforderungen. Die staat­li­chen Beiträge dafür sind oft sehr klein, sofern sie über­haupt flies­sen. Ich den­ke, auch wir und das bis­he­ri­ge System der Entwicklungszusammenarbeit sind nicht unschul­dig an die­sem Problem. Zusammen mit den Schulen und den staat­li­chen Schulbehörden erar­bei­ten wir heu­te kon­kre­te Pläne, wo die finan­zi­el­len Eigenleistungen und die Mitverantwortung für Betrieb und Unterhalt der Wasserversorgungen und der Latrinen fest­ge­legt wer­den. Dabei bin­den wir auch die Schülerinnen und Schüler ein. Ebenso neh­men wir die Dorfgemeinschaften mit in die Verantwortung, um das nöti­ge Bewusstsein für eine bes­se­re Hygiene zu schaf­fen.

Sowohl in den Schulen als auch in den Dorfgemeinschaften för­dern wir loka­le Gruppen, die für das Eintreiben der Unterhaltsbeiträge zustän­dig sind. Zusätzlich wer­den Leute in Unterhalts- und Reparaturarbeiten aus­ge­bil­det. Dafür ste­hen wir auch mit der Ernst Peyer Stiftung im regen Austausch, die gros­se Erfahrung in die­sem Bereich hat.

Wie das Rote Kreuz arbei­tet auch die Ernst Peyer Stiftung in der­sel­ben Region im Bereich der  Verbesserung des Zugangs zu Wasser und Hygiene. Welche Vor- und Nachteile siehst du bei der oft kom­ple­xen Situation der rich­ti­gen Hilfe durch eine klei­ne Organisation im Vergleich zu einer gros­sen, inter­na­tio­nal täti­gen Institution? Eine klei­ne Organisation ist viel agi­ler und steht viel­leicht auch weni­ger unter Zeitdruck. Eine gros­se Organisation ist behä­bi­ger, aber sie ver­fügt oft auch über ein­ge­spiel­te Prozesse und Abläufe. Und sie hat die nöti­gen finan­zi­el­len Möglichkeiten und den Einfluss, um auch auf über­ge­ord­ne­ter Ebene etwas zu bewir­ken. Als Schweizerisches Rotes Kreuz arbei­ten wir vor Ort immer mit dem Ghanaischen Roten Kreuz zusam­men. Der Partner für die Umsetzung und Projektrealisation steht für uns immer fest. Dies kann sowohl ein Vorteil als auch ein Nachteil sein. Eine klei­ne­re Organisation hin­ge­gen ist jeder­zeit frei in der Wahl ihrer Partner.  

Auf jeden Fall kön­nen Organisationen im gegen­sei­ti­gen Austausch viel von­ein­an­der ler­nen. Ich bin der Meinung, dass die­ser Austausch und die Koordination im Norden Ghanas noch zu kurz kom­men. Deshalb möch­ten wir in der Upper East Region ein WASH-Forum mit Einbezug der ver­schie­de­nen Akteure unter der Leitung der staat­li­chen Behörde ins Leben rufen.

 

Michael Herger hat auf dem zwei­ten Bildungsweg Geografie stu­diert und spä­ter sein Wissen am Zentrum für Entwicklung und Zusammenarbeit der ETH Zürich (Nadel) kom­plet­tiert. Erste Auslandserfahrungen haben ihn nach Ostafrika und Südasien gebracht, wo er sich zuerst selbst ver­ge­wis­sern woll­te, ob die Entwicklungszusammenarbeit hält was sie ver­spricht. Obwohl er heu­te sagt, die Entwicklungszusammenarbeit sei nicht über alle Zweifel erha­ben, haben ihn die direk­ten posi­ti­ven Auswirkungen auf die Ärmsten über­zeugt. Den star­ken Einbezug der loka­len Akteure und der Begünstigten sowie den heu­te ange­wen­de­ten par­ti­zi­pa­ti­ven Ansatz sieht er als posi­ti­ve Entwicklung in der Entwicklungszusammenarbeit von heu­te. Die gros­se Hingabe der frei­wil­li­gen Helferinnen und Helfer, ohne die kein Projekt rea­li­siert wer­den könn­te, beein­druckt ihn ganz beson­ders.

Interview: Hannes Heinimann
Redaktion: Judith Bachmann