Welche Auswirkungen hat das Coronavirus auf Ghana?

Alex Tseh
Aus Ghana berich­tet Alex Tseh, Delegierter der Ernst Peyer Stiftung

1. Die all­ge­mei­ne Situation 

Mitte März war es auch in Ghana soweit: Die Gesundheitsbehörde bestä­tig­te den ers­ten Covid-19-Fall. Bald dar­auf reagier­te die Regierung mit einem drei­wö­chi­gen Lockdown mit dem Ziel, die Ausbreitung des Virus ein­zu­däm­men. Dies bedeu­te­te: Schliessung der Grenzen, Verbot für gesell­schaft­li­che Zusammenkünften wie Konferenzen, Festivals, poli­ti­sche Kundgebungen, Sportanlässe und reli­giö­se Versammlungen sowie die Schliessung von Schulen und Restaurants.

Von den 7’616 Menschen, die sich bis zum 29. Mai 2020 mit dem Coronavirus ange­steckt haben, leben 117 in der Eastern Region, 26 in der Upper East Region. In die­sen bei­den Regionen befin­den sich die von der Ernst Peyer Stiftung unter­stütz­ten Projekte. 34 Menschen sind an den Folgen des Virus gestor­ben. Über 70 Prozent der bestä­tig­ten Fälle sind in der Hauptstadt Accra auf­ge­tre­ten. Obwohl ab Mitte April ers­te Lockerungen der Corona-Auflagen in Kraft tra­ten, gibt es aktu­ell immer noch Einschränkungen – dar­un­ter auch die Schliessung der Schulen. 

Nicht zu über­se­hen sind die mas­si­ven wirt­schaft­li­chen Auswirkungen der Krise. Die Regierung schätzt, dass die Wachstumsrate der Wirtschaft von 6 Prozent auf weni­ger als 2 Prozent sin­ken wird. Die Covid-19-Pandemie zwingt die Regierung, ins Gesundheitswesen zu inves­tie­ren. Dies auf Kosten der direk­ten wirt­schaft­li­chen Unterstützung von Einzelpersonen und Unternehmen, wel­che hän­de­rin­gend um ihr Überleben kämp­fen. Derweil trom­meln die Gesundheitsbehörden über Radio, Fernsehen, SMS und sozia­le Medien die mitt­ler­wei­le glo­bal bekann­ten Botschaften ins Land hin­aus: Händewaschen, Verwendung von Desinfektionsmitteln, Tragen von Gesichtsmasken, Abstand hal­ten und kein Händeschütteln.

In jeder sei­ner bis­her neun Reden zur Pandemie ermu­tigt der Staatspräsident die Nation, Ruhe zu bewah­ren und sich an die Verbote und Empfehlungen zu hal­ten.

2. Die Situation in den Projektgebieten
der Peyer Stiftung 

Bezirk Ayensuano (Eastern Region) 

Die Schulen sind im gan­zen Land geschlos­sen. Die Kinder in den länd­li­chen Projektgemeinden Kwame Kyere und Alafia müs­sen zu Hause blei­ben, wo sie ihre Eltern auf der Farm unter­stüt­zen oder im Haus spie­len. Vor der Pandemie nutz­ten Schüler und Studenten ihre Ferien, um zu Verwandten in die Städte zu fah­ren. Eine will­kom­me­ne Abwechslung, wel­che aktu­ell nicht mehr mög­lich ist.

Für die Erwachsenen wur­den die regel­mäs­si­gen Treffen mit Grossfamilien und Gemeinschaften sowie reli­giö­se Zusammenkünfte ein­ge­stellt. Viele füh­len sich iso­liert und ein­ge­schränkt. 

Kwame Kyere und Alafia sind bäu­er­li­che Gemeinschaften, die Nutzpflanzen wie Kakao, Mais, Maniok, Kochbananen und Gemüse anbau­en und an Händler aus den umlie­gen­den Städten ver­kau­fen. Mit der Pandemie sind die Verkäufe stark zurück­ge­gan­gen und die Bauern sind gezwun­gen, ihre Produkte bil­li­ger zu ver­kau­fen. Dies bedeu­tet: ein noch klei­ne­res Einkommen. Berichten zufol­ge sind auch die Überweisungen von Verwandten, die anders­wo leben, zurück­ge­gan­gen. Auch sie durch­le­ben ähn­lich har­te Zeiten.

Die Distriktbehörden von Ayensuano und die Vereinigung der Kakaobauern haben Veronica-Eimer (Eimer samt Wasserhahn zum Händewaschen) für die Gemeinden bereit­ge­stellt. Ergänzt wer­den die­se mit Seifen, offe­riert vom Gemeinderat. Desinfektionsmittel wer­den nur von weni­gen Menschen ver­wen­det, da die­se für die meis­ten zu teu­er sind. Umso wich­ti­ger ist das Händewaschen mit Seife. Mit Flugblättern, ver­fasst in den loka­len Sprachen Twi, Krobo und Ewe, weist unse­re Partnerorganisation Community Water and Sanitation Agency (CWSA) auf das regel­mäs­si­ge Händewaschen hin.

Bezirk Atiwa (Eastern Region)
Die Bewohner des Atiwa-Distrikts berich­ten von einem weit ver­brei­te­ten Bewusstsein über Covid-19. Vom Virus erfah­ren haben sie haupt­säch­lich über das Radio und Informationen von Freunden und Bekannten. Die Menschen sind sich der Gefahr bewusst und mei­den Versammlungen und über­füll­te Orte. Und doch gehen vie­le immer noch an Markttagen in die Distrikthauptstadt Anyinam, wo sie Lebensmittel und ande­re Produkte kau­fen und ver­kau­fen. Das Tragen von Gesichtsmasken und das Einhalten des Sicherheitsabstandes sind dort vor­ge­schrie­ben. Weiter sind Buschtaxis und Kleinbusse ver­pflich­tet, die Zahl der Passagiere zu redu­zie­ren, um den Sicherheitsabstand zwi­schen den ein­zel­nen Menschen ein­zu­hal­ten. 

Noch glau­ben vie­le Menschen nicht dar­an, dass das Virus bis in ihre Gemeinde vor­drin­gen kann oder bereits vor Ort aus­ge­bro­chen ist. Der Preis für eine wie­der­ver­wend­ba­re Gesichtsmaske mit afri­ka­ni­schem Baumwollaufdruck reicht von GHC 2 bis GHC 3, wäh­rend eine 200-ml-Flasche Handdesinfektionsmittel GHC 5 kos­tet. 

Einige Haushalte stell­ten mit Stolz fest, wie nütz­lich und bequem ihre von uns unter­stütz­ten Tippy Taps gera­de in Corona-Zeiten sind. Das Händewaschen im eige­nen Haushalt wird geschätzt und hat an Wichtigkeit gewon­nen – gera­de auch, weil dies kos­ten­güns­ti­ger ist als Desinfektionsmittel zu ver­wen­den. 

Dass die Menschen mehr Händewaschen und folg­lich Seife benö­ti­gen, merkt auch Augusta Fialobu. Sie besuch­te eine von der Ernst Peyer Stiftung finan­zier­te Schulung für die Produktion von Flüssigseife und grün­de­te ihr eige­nes Seifengeschäft (wir berich­te­ten im Februar-Newsletter). Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie ist die Nachfrage so stark ange­stie­gen, dass Augusta Fialobu deut­lich mehr Seife ver­kauft.

Projektgebiete im Norden von Ghana (Upper East Region)
Die Zahl der Fälle in der Region Upper East ist rela­tiv nied­rig und doch herrscht Panik in der Bevölkerung. Viele Unternehmen haben geschlos­sen, Geschäftsreisen wur­den abge­sagt.

Die Auswirkungen von Covid-19 auf unse­re WASH (Water, Sanitation, Hygiene)-Projekte und die damit begüns­tig­ten Gemeinden sind immens. Das Verbot von öffent­li­chen Versammlungen bewirk­te einen fast voll­stän­di­gen Stillstand der Projektarbeit. Dies, weil Versammlungen die Voraussetzung für das Engagement der Gemeinden, die Schulung des Anlagenunterhaltes sowie das Bewirken von Verhaltensänderungen sind. Virtuelle Treffen und Schulungen sind kei­ne Alternative, da nur weni­ge Menschen ein Smartphone oder einen Internetzugang haben.

Trotz Corona sind bei unse­rer Partnerorganisation Water Vision Technology (WVT) in den ver­gan­ge­nen Wochen vie­le Unterstützungsanfragen von Bewohnern länd­li­cher Gemeinden ein­ge­gan­gen. Darin for­dern sie uns auf, die Regierungsanweisungen zu igno­rie­ren und ihre Gemeinden zu unter­stüt­zen. Die Sanierung von Wassereinrichtungen sei wegen des feh­len­den oder schmut­zi­gen Trinkwassers drin­gend nötig. Eine Not, die auch wir erken­nen und ver­ste­hen. 

Covid-19 bedingt für vie­le länd­li­che Gemeinden neue Verhaltensmuster wie den Sicherheitsabstand und die No-Handshake-Regel. Veränderungen, wel­che die Menschen befrem­den und als Mangel an Liebe und Akzeptanz emp­fun­den wer­den. 

3. Schlussfolgerung

In einer Kultur, die so sehr in der Gemeinschaft ver­wur­zelt ist, ist Abstandhalten nicht leicht zu akzep­tie­ren: an der Wasserpumpe beim Schwatz mit dem Nachbarn, beim gegen­sei­ti­gen Unterstützen und Helfen, beim gemein­sa­men Tragen des Wasserkessels. Der ein­ge­schränk­te Zugang zum Internet und die man­geln­de Verfügbarkeit von elek­tro­ni­schen Geräten in länd­li­chen Gemeinden schlies­sen die Möglichkeit von E-Learning für Schüler und Studenten oder vir­tu­el­len Schulungen für WASH-Projekte aus.

Die Regierung von Ghana wur­de weit­hin für ihre recht­zei­ti­ge Reaktion und das Management der Krise gelobt. Während die Welt ver­sucht, das Virus ein­zu­däm­men, muss die Regierung in Ghana alles dar­an set­zen, neben den Zentren auch die länd­li­chen Gebiete in die­ser schwie­ri­gen Situation zu unter­stüt­zen. Hierfür braucht es mass­ge­schnei­der­te wirt­schaft­li­che und sozia­le Interventionen, um die ver­hee­ren­den Auswirkungen der Pandemie zu mil­dern.

Fest steht, und Covid-19 hat dies noch bestä­tigt, Investitionen in die Hygiene sind eine Schlüsselkomponente der länd­li­chen Entwicklungsprogramme. Und die­se muss noch stär­ker ins Bewusstsein der Regierung und der Bevölkerung gerückt wer­den.