Welche Auswirkungen hat das Coronavirus auf Ghana?
1. Die allgemeine Situation
Mitte März war es auch in Ghana soweit: Die Gesundheitsbehörde bestätigte den ersten Covid-19-Fall. Bald darauf reagierte die Regierung mit einem dreiwöchigen Lockdown mit dem Ziel, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Dies bedeutete: Schliessung der Grenzen, Verbot für gesellschaftliche Zusammenkünften wie Konferenzen, Festivals, politische Kundgebungen, Sportanlässe und religiöse Versammlungen sowie die Schliessung von Schulen und Restaurants.
Von den 7’616 Menschen, die sich bis zum 29. Mai 2020 mit dem Coronavirus angesteckt haben, leben 117 in der Eastern Region, 26 in der Upper East Region. In diesen beiden Regionen befinden sich die von der Ernst Peyer Stiftung unterstützten Projekte. 34 Menschen sind an den Folgen des Virus gestorben. Über 70 Prozent der bestätigten Fälle sind in der Hauptstadt Accra aufgetreten. Obwohl ab Mitte April erste Lockerungen der Corona-Auflagen in Kraft traten, gibt es aktuell immer noch Einschränkungen – darunter auch die Schliessung der Schulen.
Nicht zu übersehen sind die massiven wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise. Die Regierung schätzt, dass die Wachstumsrate der Wirtschaft von 6 Prozent auf weniger als 2 Prozent sinken wird. Die Covid-19-Pandemie zwingt die Regierung, ins Gesundheitswesen zu investieren. Dies auf Kosten der direkten wirtschaftlichen Unterstützung von Einzelpersonen und Unternehmen, welche händeringend um ihr Überleben kämpfen. Derweil trommeln die Gesundheitsbehörden über Radio, Fernsehen, SMS und soziale Medien die mittlerweile global bekannten Botschaften ins Land hinaus: Händewaschen, Verwendung von Desinfektionsmitteln, Tragen von Gesichtsmasken, Abstand halten und kein Händeschütteln.
In jeder seiner bisher neun Reden zur Pandemie ermutigt der Staatspräsident die Nation, Ruhe zu bewahren und sich an die Verbote und Empfehlungen zu halten.
2. Die Situation in den Projektgebieten
der Peyer Stiftung
Bezirk Ayensuano (Eastern Region)
Die Schulen sind im ganzen Land geschlossen. Die Kinder in den ländlichen Projektgemeinden Kwame Kyere und Alafia müssen zu Hause bleiben, wo sie ihre Eltern auf der Farm unterstützen oder im Haus spielen. Vor der Pandemie nutzten Schüler und Studenten ihre Ferien, um zu Verwandten in die Städte zu fahren. Eine willkommene Abwechslung, welche aktuell nicht mehr möglich ist.
Für die Erwachsenen wurden die regelmässigen Treffen mit Grossfamilien und Gemeinschaften sowie religiöse Zusammenkünfte eingestellt. Viele fühlen sich isoliert und eingeschränkt.
Kwame Kyere und Alafia sind bäuerliche Gemeinschaften, die Nutzpflanzen wie Kakao, Mais, Maniok, Kochbananen und Gemüse anbauen und an Händler aus den umliegenden Städten verkaufen. Mit der Pandemie sind die Verkäufe stark zurückgegangen und die Bauern sind gezwungen, ihre Produkte billiger zu verkaufen. Dies bedeutet: ein noch kleineres Einkommen. Berichten zufolge sind auch die Überweisungen von Verwandten, die anderswo leben, zurückgegangen. Auch sie durchleben ähnlich harte Zeiten.
Die Distriktbehörden von Ayensuano und die Vereinigung der Kakaobauern haben Veronica-Eimer (Eimer samt Wasserhahn zum Händewaschen) für die Gemeinden bereitgestellt. Ergänzt werden diese mit Seifen, offeriert vom Gemeinderat. Desinfektionsmittel werden nur von wenigen Menschen verwendet, da diese für die meisten zu teuer sind. Umso wichtiger ist das Händewaschen mit Seife. Mit Flugblättern, verfasst in den lokalen Sprachen Twi, Krobo und Ewe, weist unsere Partnerorganisation Community Water and Sanitation Agency (CWSA) auf das regelmässige Händewaschen hin.
Bezirk Atiwa (Eastern Region)
Die Bewohner des Atiwa-Distrikts berichten von einem weit verbreiteten Bewusstsein über Covid-19. Vom Virus erfahren haben sie hauptsächlich über das Radio und Informationen von Freunden und Bekannten. Die Menschen sind sich der Gefahr bewusst und meiden Versammlungen und überfüllte Orte. Und doch gehen viele immer noch an Markttagen in die Distrikthauptstadt Anyinam, wo sie Lebensmittel und andere Produkte kaufen und verkaufen. Das Tragen von Gesichtsmasken und das Einhalten des Sicherheitsabstandes sind dort vorgeschrieben. Weiter sind Buschtaxis und Kleinbusse verpflichtet, die Zahl der Passagiere zu reduzieren, um den Sicherheitsabstand zwischen den einzelnen Menschen einzuhalten.
Noch glauben viele Menschen nicht daran, dass das Virus bis in ihre Gemeinde vordringen kann oder bereits vor Ort ausgebrochen ist. Der Preis für eine wiederverwendbare Gesichtsmaske mit afrikanischem Baumwollaufdruck reicht von GHC 2 bis GHC 3, während eine 200-ml-Flasche Handdesinfektionsmittel GHC 5 kostet.
Einige Haushalte stellten mit Stolz fest, wie nützlich und bequem ihre von uns unterstützten Tippy Taps gerade in Corona-Zeiten sind. Das Händewaschen im eigenen Haushalt wird geschätzt und hat an Wichtigkeit gewonnen – gerade auch, weil dies kostengünstiger ist als Desinfektionsmittel zu verwenden.
Dass die Menschen mehr Händewaschen und folglich Seife benötigen, merkt auch Augusta Fialobu. Sie besuchte eine von der Ernst Peyer Stiftung finanzierte Schulung für die Produktion von Flüssigseife und gründete ihr eigenes Seifengeschäft (wir berichteten im Februar-Newsletter). Seit dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie ist die Nachfrage so stark angestiegen, dass Augusta Fialobu deutlich mehr Seife verkauft.
Projektgebiete im Norden von Ghana (Upper East Region)
Die Zahl der Fälle in der Region Upper East ist relativ niedrig und doch herrscht Panik in der Bevölkerung. Viele Unternehmen haben geschlossen, Geschäftsreisen wurden abgesagt.
Die Auswirkungen von Covid-19 auf unsere WASH (Water, Sanitation, Hygiene)-Projekte und die damit begünstigten Gemeinden sind immens. Das Verbot von öffentlichen Versammlungen bewirkte einen fast vollständigen Stillstand der Projektarbeit. Dies, weil Versammlungen die Voraussetzung für das Engagement der Gemeinden, die Schulung des Anlagenunterhaltes sowie das Bewirken von Verhaltensänderungen sind. Virtuelle Treffen und Schulungen sind keine Alternative, da nur wenige Menschen ein Smartphone oder einen Internetzugang haben.
Trotz Corona sind bei unserer Partnerorganisation Water Vision Technology (WVT) in den vergangenen Wochen viele Unterstützungsanfragen von Bewohnern ländlicher Gemeinden eingegangen. Darin fordern sie uns auf, die Regierungsanweisungen zu ignorieren und ihre Gemeinden zu unterstützen. Die Sanierung von Wassereinrichtungen sei wegen des fehlenden oder schmutzigen Trinkwassers dringend nötig. Eine Not, die auch wir erkennen und verstehen.
Covid-19 bedingt für viele ländliche Gemeinden neue Verhaltensmuster wie den Sicherheitsabstand und die No-Handshake-Regel. Veränderungen, welche die Menschen befremden und als Mangel an Liebe und Akzeptanz empfunden werden.
3. Schlussfolgerung
In einer Kultur, die so sehr in der Gemeinschaft verwurzelt ist, ist Abstandhalten nicht leicht zu akzeptieren: an der Wasserpumpe beim Schwatz mit dem Nachbarn, beim gegenseitigen Unterstützen und Helfen, beim gemeinsamen Tragen des Wasserkessels. Der eingeschränkte Zugang zum Internet und die mangelnde Verfügbarkeit von elektronischen Geräten in ländlichen Gemeinden schliessen die Möglichkeit von E-Learning für Schüler und Studenten oder virtuellen Schulungen für WASH-Projekte aus.
Die Regierung von Ghana wurde weithin für ihre rechtzeitige Reaktion und das Management der Krise gelobt. Während die Welt versucht, das Virus einzudämmen, muss die Regierung in Ghana alles daran setzen, neben den Zentren auch die ländlichen Gebiete in dieser schwierigen Situation zu unterstützen. Hierfür braucht es massgeschneiderte wirtschaftliche und soziale Interventionen, um die verheerenden Auswirkungen der Pandemie zu mildern.
Fest steht, und Covid-19 hat dies noch bestätigt, Investitionen in die Hygiene sind eine Schlüsselkomponente der ländlichen Entwicklungsprogramme. Und diese muss noch stärker ins Bewusstsein der Regierung und der Bevölkerung gerückt werden.